Grundwissen Grammatik

 

Kleine deutsche Schulgrammatik zum Nachschlagen und Lernen

Verbpräfix

Als Verbpräfixe werden hier alle dem Verb vorangestellten Silben, Verbzusätze bzw. Präverbien bezeichnet. Damit werden neue Verben gebildet, zum Beispiel löschen → erlöschen; stellen → bestellen; legen → überlegen.

Die Bezeichnungen sind manchmal etwas verwirrend:

nach Helbig / Buscha Verb­prä­fixe
Un­be­tont und un­trenn­bar (1) Be­tont, trenn­bar-nach­ge­stellt (2)
be, emp, ent, er, ge, miss, ver, zer ab, an, auf, dar, ein, fort, hin, fest, heim …
Verb­vor­silbe syn­tak­tisch: Verb­zu­satz
Natürlich werden bei den Au­toren auch Zwischen­for­men er­wähnt: z. B. für wie­der, wi­der, durch, hin­ter, über, um, un­ter, voll, die so­wohl trenn­bar als auch un­trenn­bar ver­wen­det wer­den.
nach Duden-Gram­matik Links­er­wei­te­rung des Verbs
Verb­prä­fixe (1) Verb­par­ti­keln (2)
be, emp, ent, er, ge, miss, ver, zer ab, an, auf, dar, ein, fort, hin, fest, heim …
durch, hin­ter, über, um, un­ter, wider durch, hin­ter, über, um, un­ter, wider
Verb­vor­sil­be syn­tak­tisch: Verb­zu­satz
Es ent­ste­hen: Prä­fix­ver­ben Par­ti­kel­ver­ben

1) Als "echte" Verbpräfixe im engeren Sinne werden hier folgende Vorsilben bezeichnet: be, emp, ent, er, ge, miss, ver, zer.
Sie bleiben stets mit dem Verb verbunden und stellen auch bei der Rechtschreibung keine Probleme dar: ich bestelle, sie bestellte, wir haben bestellt, ihr werdet bestellen, sie beschlossen, etwas zu bestellen.
Bei der Bildung des Partzips II bleiben diese Verbvorsilben erhalten und ersetzen das partizipiale "ge": ich messe → ich habe gemessen; ich vermesse → ich habe vermessen.

Ebenso verhalten sich die Vorsilben, die aus Fremdsprachen herrühren: bi, a, ad, an, anti, de, des, dis, dia, ex, epi, exo, hyper, hypo, in, inter, ko, per, peri, poly, pro, re, sub, syn usw.
Beim Infinitiv mit "zu" bleibt die Infinitivkonjunktion "zu" außerhalb des Verbs: Etwas zu bestellen, das kam ihr nicht in den Sinn.

2) Von diesen Vorsilben sind die Verbpartikeln, die Verbzusätze, klar zu trennen: Während die Vorsilben bis auf "miss" kaum eine greifbare Bedeutung haben1, stammen die echten Verbzusätze von durchaus Bedeutung tragenden Präpositionen, Adjektiven, Adverbien und Substantiven ab.
Sie werden mit den Verben im Infinitiv und beim Partizip I und II zusammengeschrieben oder im Präsens und Präteritum im Aussagesatz von ihnen getrennt verwendet: untergehen, untergehend, untergegangendie Sonne geht / ging unter. Anders verhält es sich bei eingeleiteten Nebensätzen, dort werden die Verbzusätze auch im Präsens und Präteritum am Satzende zusammengeschrieben: Ich sah, wie die Sonne unterging.

Beim Infinitiv mit "zu" wird die Infinitivkonjunktion "zu" in das Verb integriert und der Verbzusatz wird vorangestellt: Es lohnte sich nicht aufzustehen / auszugehen / herauszugehen / zuzusehen
Bei der Bildung des Partizips II bleibt gegebenenfalls die Vorsilbe des Wortes erhalten (a) oder es wird standardmäßig das partizipiale "ge" eingeschoben (b): a) ich bestelle ab sie hat abbestellt; b) ich stehe auf sie ist aufgestanden.

Für die Rechtschreibung relevant sind folgende Regeln:

1) Beim Verb "sein" werden die Verbzusätze stets getrennt geschrieben: da sein, vorbei sein; da gewesen, vorbei gewesen.

2) Steht der Verbzusatz an der ersten Satzgliedstelle, wird ebenfalls getrennt geschrieben: Fest steht, dass du dich irrst. Klar stellen wir im Folgenden, dass … Hinaus ging keiner, obwohl der Film gruselig war.

3) Verb+Verb-Kombinationen werden getrennt geschrieben: liegen lassen, spazieren gehen; Ausnahme: kennenlernen - beide Schreibweisen möglich.

4) Die Getrenntschreibung gilt auch für Verben in Partizipform: getrennt schreiben, verloren gehen.

5) Bei von Substantiven abgeleiteten Verbzusätzen ist die Schreibung uneinheitlich:
a) immer zusammen: maßregeln, handhaben; → Er maßregelte mich.
b) unfeste Verbindung: teilnehmen, heimfahren, leidtun, standhalten; → Sie hielt dem Sturm stand und fuhr heim.
c) kein Verbzusatz: Auto fahren, Schlange stehen - immer getrennt.

6) Verbzusätze aus Adjektiven: Wenn sie im Kontext steigerbar sind oder gar gesteigert verwendet werden, sind sie getrennt zu schreiben. Ist das nicht der Fall, werden sie zusammengeschrieben:
Der Richter hat mich freigesprochen. ↔ Er hat immer sehr frei gesprochen.
Als der Richter mich freisprach, …Weil er frei sprach, unterlief ihm ein kleiner sachlicher Fehler.

Verbzusätze, die von Adverbien und Präpositionen abgeleitet werden:

7) Meist vom Verb getrennt werden: durch (nicht bei transitivem Gebrauch), um, wieder. → Seine Stimme drang nicht durch.

8) Meist vom Verb nicht getrennt werden: hinter, über, unter (besonders bei transitivem Gebrauch), wider. → Er überraschte seine Freunde, indem er alle hinterging.

9) Bei den übrigen Verbzusätzen, die von Adverbien oder Präpositionen abgeleitet sind, schwankt die Schreibung:
a) Tendenziell wird getrennt geschrieben, wenn der Ausdruck eine konkrete Bedeutung hat: untergehen, er ging unter: er ist untergegangen; durchsehen, wir sahen durch, wir haben das Manuskript durchgesehen - Beim Partizip II bleibt die [Partizip-II-]Vorsilbe, oft "ge", erhalten.
b) Tendenziell wird zusammengeschrieben, wenn der Ausdruck eine abstrakte Bedeutung hat: unternehmen, sie unternahm: sie hat eine Reise unternommen; durchschwimmen, sie durchschwammen, sie haben den See durchschwommen. - Beim Partizip II schwindet das partizipiale "ge".

Siehe auch »Zweifelsfälle«!

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1 "be" und "ge" sind gänzlich ohne Bedeutung, bei "zer" wird etwas auseinandergebracht, bei "ver" und "er" liegt kaum eine eindeutige Bedeutung vor, während "ent" eine leicht negierende Bedeutung hat. "miss" drückt am ehesten eine Negation des im eigentlichen Verb Gemeinten aus.


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